Neudenken erforderlich
Nach der Bundestagswahl kann wohl niemand so einfach zur Tagesordnung übergehen … ein Kommentar unserer Bundesvorsitzende Sabine Pfeiffer zur Bundestagswahl.
Auch wenn das Ergebnis der AfD noch lange nicht an das der Rechtspopulisten in Frankreich oder den Niederlanden heranreicht, ist es im als so stabil geltenden Deutschland doch ein Weckruf, den alle etablierten Parteien hören müssen. Denn er zeugt von einer tiefen Politikverdrossenheit, die unser Land durchzieht.
Dabei machen Flüchtlinge und Migranten sowie der zunehmende Terror nur einen Teil der Gründe aus, die die Menschen zu ihrer Wahlentscheidung bewegt haben. Groß ist auch die Furcht vor den Folgen der Globalisierung. Viele Menschen haben das Gefühl, abgehängt zu sein. Sie werfen der Politik zudem vor, dass sie ihre Sorgen und Nöte einfach nicht ernst nimmt. Dazu gehört ganz sicher auch – ohne nur im Ansatz volkstümelnd zu sein – die Angst, die Heimat zu verlieren. Das hat sogar Schleswig Holsteins stellvertretender Ministerpräsident, der Grüne Robert Habeck in einem TV-Talk nach der Wahl wörtlich so gesagt.
Der Verlust an „Heimat“ zeigt sich in den letzten Jahren auch deutlich im Gesundheitssystem. Es sind nicht mehr nur die Ärzte, die in strukturschwachen Gebieten fehlen. Auch die Apothekendichte wird radikal ausgedünnt. Gerade für ältere Menschen hat dies bereits jetzt teilweise fatale Folgen.
Dass sich die SPD dazu entschlossen hat, in die Opposition zu gehen, zeugt zwar nicht von übergroßem Verantwortungsbewusstsein, ist jedoch aus parteitaktischen Gründen nachvollziehbar. Das setzt jetzt aber Union, FDP und die Grünen unter einen ungeheuren Einigungsdruck. Denn die ansonsten drohenden Neuwahlen könnten unter Umständen noch viel dramatischere Ergebnisse ergeben.
Für die Apotheken als unsere Hauptarbeitgeber bedeutet das auf den ersten Blick nicht viel Gutes. Sowohl die FDP als auch Bündnis 90/Die Grünen haben sich gegen ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ausgesprochen. Die FPD will sogar eine weitergehende Liberalisierung des Apothekenmarktes. Da wird es eine schwächer gewordene Union schwer haben, ihre bisherige Linie durchzusetzen – falls CDU und CSU überhaupt zu einer Einigung finden, die Koalitionsgespräche erst möglich macht.
Vielleicht bin ich zu optimistisch, wenn ich hier dennoch einen Durchbruch erhoffe. Fakt ist, dass zu einer Heimat, in der man sich wohl fühlt, auch ein funktionierendes Gesundheitsystem in der Fläche gehört. Es braucht wohnortnahe Ärzte und Apotheken – und zwar für Alteingesessene wie für Neubürger. Unabhängige Apotheken durch kapitalgesteuerte Arzneimittelversender zu ersetzen, spielt der Globalisierung dagegen nachhaltig in die Hand. Genau dafür steht das Wahlergebnis aber ganz sicher nicht! Es gilt auch hier, den Wählerwillen ernst zu nehmen. Dafür ist allerdings ein Neudenken erforderlich.
Sabine Pfeiffer