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Alles wieder normal?


Angelika Gregor mit Gedanken und Ansichten zu den aktuellen Lockerungen der Corona-Beschränkungen und zum Weg in eine "Normalität", sowie mit einem Ausblick auf die weitere Entwicklung.

Nach und nach werden die strengen Auflagen, die seit einigen Wochen gelten, gelockert. Obwohl immer noch regionale Unterschiede bestehen, sind die meisten Geschäfte wieder geöffnet. Sukzessiv werden weitere Maßnahmen ergriffen, die den Weg zu einem irgendwie lebbaren Alltag ebnen. Wir sind noch weit entfernt von Bedingungen wie vor dem Lockdown, aber für viele Menschen ist es ein Zeichen, dass nach der langen Durststrecke so etwas wie Normalität spürbar ist. Die Auflagen sind streng, aber machbar.
Den großen und kleineren Verlierern der vergangenen Wochen werden diese Sätze zynisch anmuten.  Diese sind noch weit davon entfernt, einen Lichtstreifen am Horizont zu erblicken.  Der wirtschaftliche Schaden ist teilweise enorm und noch nicht überschaubar.
Die kommenden Monate werden zeigen, wie unsere Gesellschaft mit diesem Stresstest klarkommt. Eines steht fest: Das Virus ist unverändert präsent und daran wird sich vorerst auch nichts ändern.  Wir müssen uns daran gewöhnen, mit dieser allgegenwärtigen Bedrohung zu leben. Es gibt nicht für jede Situation eine schnelle Lösung.

Wie schaffen wir es ein Leben zu leben, das irgendwie als „normal“ angesehen werden kann?
Eine „Normalität“, oder das, was wir durch unsere Erfahrung darunter verstehen, kann es nicht mehr geben. Das wird von jedem neu definiert werden müssen. Es ist kaum möglich, an das anzuknüpfen, was vorher unser Leben ausgemacht hat. Das Virus hat die Welt verändert und wir haben uns mit verändert. Wir werden immer mal gezwungen, uns nicht selbstgewählten Gegebenheiten anzupassen, aber selten geschieht das im Kollektiv. Dieser Zustand ist beispiellos und wir haben wenig zur Verfügung, woran wir uns orientieren können.
Verständlicherweise hätten wir unser Leben gerne wieder wie vorher obwohl absehbar ist, dass es nicht mehr so sein wird. Allein schon unsere Umgebung wird sich verändern. Das geliebte Café, die Kneipe an der Ecke, die netten Geschenkeläden, der Bäcker, das Friseurgeschäft …Wir fragen uns bange, ob das alles so noch existieren kann und wissen zugleich, dass es wahrscheinlich nicht so sein wird. Immer deutlicher wird uns die Fragilität der Welt bewusst.

Ein jeder hat Erfahrungen gesammelt, positive und negative. Ganz sicher haben wir uns selbst besser kennengelernt und Emotionen, die vorher unbemerkt in uns geschlummert haben, deutlicher gespürt, die guten wie die schlechten.
Einige haben Fähigkeiten in sich entdeckt, von denen sie vorher gar nichts wussten. Kreativität ist ein Wort, das in dieser Zeit mit wahrem Leben gefüllt wurde.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft ist ein Signal, wovon sich die meisten wünschen, dass es Bestandteil der „neuen Normalität“ bleiben kann.
Erstaunt stellen wir fest, dass es sehr viele Nachbarn, Freunde, Verwandte, Mitbürger gibt, die ganz unbürokratisch zur Stelle sind, wenn Hilfe vonnöten ist. Das ist wohltuend und trägt dazu bei, unsere Meinung über manch einen in ein besseres Licht zu rücken

Schwierige Zeiten können das Beste, aber auch das Schlechteste aus Menschen hervorholen.
Werden wir uns irgendwann noch daran erinnern, mit welcher Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit manche Menschen Leben gegeneinander aufwiegen? Die Welt einzuteilen in Menschen die leicht, oder schwer erkranken können, und daraus Verhaltensweisen und Meinungen abzuleiten ist grenzwertig und sehr bedenklich.  Hier sollte der Begriff Sozialgemeinschaft und Sozialverhalten dringend überdacht werden. Ebenfalls rufen Krisenzeiten verstärkt Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und immer wieder die Impfgegner auf den Plan. Als Nährboden für politischen Extremismus ist diese Krise auch bestens geeignet.

Keiner möchte sich vorstellen, wie diese Zeit ohne die Digitalisierung ausgesehen hätte. Das Internet ist unser Mitbewohner geworden. Von zuhause aus lassen sich fast alle Dinge des Lebens regeln, vom Homeoffice, über Homeschooling, Einkaufen, Sport, Unterhaltung bis zum Kontakt über die Videotelefonie. Virtuell sind irgendwie alle miteinander verbunden und so manchen mag es vor Vereinsamung geschützt haben. Auf jeden Fall sollte nach der „Coronazeit“ eine Diskussion darüber geführt werden, was davon auch für die Zukunft beibehalten werden kann.

Deutlich merkbar ist, dass sich der Blick auf Berufsgruppen verändert, die sonst nie im Fokus der Öffentlichkeit stehen und wie extrem abhängig ein jeder von den sog. systemrelevanten Berufen ist. Der PTA-Beruf gehört auch dazu. Hoffentlich rettet sich dieses Bewusstsein in die kommenden Jahre, denn hier besteht ein dringender Änderungsbedarf. Soziale Anerkennung und angemessene Bezahlung ist das Mindeste, was man erwarten kann. Bleibt zu hoffen, dass sich die Woge der Anerkennung nicht vorzeitig bricht und damit die Erkenntnis, dass eine angemessene Vergütung das Mindeste ist, was die Politik diesen Menschen schuldig ist.

Sind es wirklich erst ein paar Wochen, die dieser Ausnahmezustand anhält?
Obwohl man meinen könnte, dass schon Ewigkeiten vergangen sind ist es eine unleugbare Tatsache, dass wir erst am Anfang der Pandemie stehen. Wir haben keine andere Wahl, als uns damit abzufinden, dass das Ende nicht in Sicht ist und die verheißungsvollen Lockerungen jederzeit wieder verändert werden können. Es kann daher sehr hilfreich sein, den Blickwinkel zu verändern und diesen anstatt auf die uns abverlangten Einschränkungen, auf ein gesundes Leben zu richten… und vor allem darauf, dass wir es auch behalten.

Angelika Gregor

 

(07.05.2020)