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Erster Zukunftskongress öffentliche Apotheke des Apothekerverbandes Nordrhein


Zukunft heute leben! So konnte man die Begrüßungsworte des Vorsitzenden des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis, zum Zukunftskongress am 7. Februar 2009 in der Stadthalle Wuppertal interpretieren. Denn wenn die Apothekerschaft heute nichts tut, dann ist es morgen (vielleicht) schon zu spät. Die Informationen aus Vorträgen und Diskussionen, zu dem was für die Zukunft in der Politik geplant ist, ließ manchen Anwesenden doch ins Nachdenken verfallen.

So ging Frau Professor Kuhlmey, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, in ihrem Festvortrag auf die Problematik des Generationenwechsels ein. Sie stellte vorweg die Frage: Was ist Gesundheit und ein angemessenes Leben im Alter? Seit 2000 gibt es mehr über 60-Jährige als unter 20-Jährige, in Zukunft werden die über 80-Jährigen die größte Bevölkerungsgruppe. Die Lebenserwartung steigt nicht mehr durch Säuglingssterblichkeit und Tod im “mittleren Alter”, sondern durch die Steigerung der Lebenserwartung. Dieses hat zur Folge, dass Demenz die größte “Krankheitslast” im Alter sein wird. Bis 2050 wird sich die Zahl der Erkrankungen verdoppeln! Die Pflegebedürftigkeit wird steigen: Bis 2020 werden wir 2,8 Mio. Pflegebedürftige zählen. Heute schon entfallen mehr als 50% der Leistungen an 25% der über 60-Jährigen – Tendenz stark steigend. Die Gründe für diese hohen Ausgaben sind vielfältig und nur schwer zu beeinflussen. Daher müssen wir in der Apotheke die Menschen im Alter richtig beraten und unterstützen, damit diese so lange wie möglich aktiv und gesund bleiben. Hier kann, so Prof. Kuhlmey, der Versandhandel Negativfolgen haben. Viele Fragen ergeben sich in einem persönlichen Gespräch: Man erkennt Unsicherheiten besser, kann bei “Nichtverstehen” nachhaken und so besser beraten. Als Fazit bleibt festzuhalten: Der demografische Wandel wird unser Gesundheitswesen nachhaltiger beeinflussen als wir im Moment noch annehmen. Dieses Problem müssen wir verstärkt angehen.

Am Nachmittag folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema „Rabattverträge auf dem Prüfstand – effizienter Kostendämpfer oder notwendiges Übel?“ Teilnehmer waren Thomas Preis, Dr. Klaus Enderer von der KV Nordrhein, Cornelia Prüfer-Storcks, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, Dr. Johannes Vöcking, Vorstandsvorsitzender der Barmer, und Eleonore Köth-Feige, Vorstandsmitglied der Landesseniorenvertretung NRW. In der Diskussion trat deutlich heraus, dass die Kassenvertreter gegenüber ihrem Klientel, nämlich den Patienten, ihre Hausaufgaben bis heute nicht gemacht haben. Sie haben Verunsicherungen bei vielen Patienten ausgelöst und sind nicht in der Lage, diese deutlich zu erklären – gerade den älteren Menschen. Fragen wie „Warum bekomme ich nicht mehr meine roten Tabletten, was ist da anders?“ müssen zwar in der Praxis durch den Apotheker beantwortet werden, dies wäre jedoch eigentlich Aufgabe der Mitarbeiter der Kassen. Auch die grundsätzliche Frage, was die Rabattverträge außer Verunsicherung wirklich bringen, kam wieder zur Diskussion. Beide Kassenvertreter drückten sich um eine Antwort. Den Kassen scheint der Passus „Geheimhaltung sämtlicher Daten“ sehr Recht zu kommen, da man so auch die eigenen Fehleinschätzungen schön verschleiern kann.

Prof. Hartmut Morck stellte in seinem anschließenden Vortrag dar, was sich in den letzten Jahren in der Arzneimittelforschung getan hat und wo sich die Schwerpunkte bei den Entwicklungen neuer Arzneimittel befinden. Dr. Klaus Diener, Mitglied der Geschäftsführung der Treuhand Hannover, nahm in seinem Vortrag Stellung zur wirtschaftlichen Situation und den Perspektiven der öffentlichen Apotheken. Zwar scheint das Jahr 2009 trotz teilweise offener Tarifverhandlungen noch recht positiv auszugehen. Aber 2010 bringt Neuerungen im Großhandelsmarkt, ein neue Rabattvertragssituation sowie die Arzneimittelnovelle und erfordert damit ein entsprechendes Reagieren der Apotheker. Dr. Diener fasste dies zusammen: „Nutzen Sie das Jahr 2009, um sich für 2010 professionell aufzustellen.“ Bei einem Get-Together konnte man als Abschluss alle Perspektiven, gute wie böse, noch einmal mit KollegInnen diskutieren.

Meine Meinung zum großen Thema „Rabattverträge“ der Diskussion auf dem Zukunftskongress:
Die Rabatte sind für alle Beteiligten völlig intransparent, da die Vertragspartner auf Wunsch der Industrie die Konditionen geheim halten. Hierdurch werden die Resultate der Rabattverträge im Dunkeln gehalten, d. h. die Kosten der Abwicklung können nicht gegen die Rabatterfolge berechnet werden. Für uns PTA in der Apotheke ist der Aufwand an Zeit und Erklärungsmühe täglich spürbar, dies alles kostet die Apothekenleiter Geld.

Der DAV hat in den Verhandlungen mit den KK den jährlichen finanziellen Aufwand der Rabattabwicklung in den Apotheken mit ca. 640 Mio. Euro beziffert. Dieser Betrag muss also mindestens “erwirtschaftet” werden, wenn fairerweise der Apothekenrabatt in diesen Verhandlungen (die übrigens aktuell im Schiedsverfahren sind) entsprechend nach unten angepasst wird. Weitere Abwicklungskosten entstehen bei den KK, die Rabatte beziffern und bei den Firmen geltend machen müssen.

Werden diese Kosten eingespielt? Das Umsatzvolumen der generikafähigen Segmente im GKV-Markt 2007 betrug ca. 5,2 Mio. Euro, bewertet zu Herstellerabgabepreisen (HAP) – nur aus diesem Volumen können die Rabatte kommen! Allein durch fachkundige Substitution könnten die Apotheken ca. 900 Mio. Euro als Sparbeitrag auf der HAP-Basis realisieren, dazu werden keine Rabatte benötigt. Um die zusätzlichen Kosten der o.g. ‚Rabattschlacht’ einzuspielen und günstiger als nach der möglichen Substitution heraus zu kommen, müssten jährlich Rabatte von ca. 1,6 Mrd. Euro bei den KK verbucht werden. Dies entspricht einem durchschnittlichen vertraglichen Rabatt von über 30%, ab dem für das Gesamtsystem die Schwelle der Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Ist das realistisch? Wahrscheinlich nicht!

Unter der Annahme, dass die Rechner bei den Kassen nicht falsch programmiert und die handelnden Personen nicht dumm sind, bietet sich nur die Schlussfolgerung an, dass die Intranzparenz der Rabattabwicklung solche ernüchternden Kalkulationen bewusst verschleiern soll. Das wäre dann allerdings ein schlimmes Zeugnis für die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft des Systems: Auf dem Rücken der Patienten und der Apothekenmitarbeiter würde eine Marktstrategie verfolgt, die sich für die Arzneimittelversorgung ökonomisch nicht rechnet und die zusätzlich die Qualität der Versorgung untergräbt.

Sabine Pfeiffer
Bundesvorsitzende